Personen
Projekttitel
Zur Taktilität des Akustischen
Projektbeschreibung
Das Hören wird nicht selten als eine Form des Berührens (Herder), seit dem 20. Jahrhundert zunehmend auch als ein gewaltsames Eindringen akustischer Signale beschrieben: Ein Medium der „Innervation“ (Benjamin). Medienhistorisch prägnant wurde dies in Understanding Media skizziert, wo Marshall McLuhan eine enge Beziehung zwischen akustischer und taktiler Sensorik herstellt, indem er die Haut als Hörorgan definiert und das Hören zu einem taktilen Prozess erklärt. Noch die aktuellen Sound Studies bringen das ‚Gespür‘ (Holger Schulze) als maßgebliche Kategorie in Stellung, womit die Bedeutung der Taktilität auch unter dem Vorzeichen digitaler Kultur für akustische Wahrnehmungen hervorgehoben wird.
Das Projekt rekonstruiert die Konstellation taktilen Hörens in ihren unterschiedlichen historischen Erscheinungsformen seit dem 18. Jahrhundert bis heute und führt sie literaturhistorisch weiter. Anhand ausgewählter Texte (u.a. Herder, Rilke, Brinkmann, Goetz) geht es dabei den Szenarien berührenden Hörens bzw. akustischer Berührung nach, die es auf ihre jeweiligen rhetorischen und poetologischen Implikationen hin untersucht.
CV
Natalie Binczek studierte Neuere deutsche Literaturwissenschaft sowie Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft in Köln, Bochum und Jerusalem. Sie war wissenschaftliche Assistentin an der Universität Siegen, wo sie 2004 mit einer Arbeit über den „Tastsinn in Texten der Aufklärung“ habilitierte. Nach Vertretungsprofessuren in Würzburg und Duisburg-Essen wurde sie 2010 auf die Professur für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an die Ruhr-Universität Bochum berufen. 2014 war sie Visiting Fellow am German Department der Princeton University, New Jersey. Sie hat DFG-Forschungsprojekte zu akustischen Formen der Literatur geleitet („Hörbuch“, „Diktat“) und leitet aktuell das DFG-Forschungsprojekt „Hör/Säle der Literatur. Die sonore Inszenierung des Literarischen in der deutschen Literatur der Nachkriegszeit zwischen 1947 und 1967“. Überdies ist sie als Antragstellerin am DFG-Graduiertenkolleg „Das Dokumentarische. Exzess und Entzug“ beteiligt. Seit 2012 ist sie Mitherausgeberin der Zeitschrift Sprache und Literatur.
Publikationen (Auswahl)
Kontakt: Der Tastsinn in Texten der Aufklärung,
Tübingen: Niemeyer 2007;
Handbuch Medien der Literatur
(hg. zusammen mit Till Dembeck und Jörgen Schäfer),
Berlin, Boston: de Gruyter 2013;
Das Hörbuch. Praktiken audioliteralen Schreibens und Verstehens
(hg. zusammen mit Cornelia Epping-Jäger),
München: Fink 2014;
Das Diktat. Phono-graphische Verfahren der Aufschreibung
(hg. zusammen mit Cornelia Epping-Jäger),
Paderborn: Fink 2015.
Projekttitel
Jungfrauen und die theatrale Imagination um und nach 1800
Projektbeschreibung
Das Projekt untersucht die Politiken, die sich um die Aura der Jungfrau entfalten oder in Momenten der Entjungferung eines unantastbaren Leibs generiert werden und fragt nach den Herrschaftsformen, die durch diesen unberührten weiblichen Körper erzählbar werden. Aufgestellt wird die These, dass das Politische sich genau in dem Moment ereignet, wenn Unberührtheit von einem Begehren nach Berührung bedroht wird. Die Jungfrau, die man im Zusammenhang mit politischen Fragen bisher in erster Linie als Gründungsopfer analysiert hat, wird im Teilprojekt aus einem anderen Blickwinkel gedeutet: als Reflexionsfigur restaurativer Politiken. Zwar entfachen sich um die virgo intacta revolutionäre Geschehnisse. Sie münden jedoch stets in die Wiederherstellung einer alten Ordnung. Zentral für das Projekt sind außerdem Affektpolitiken der Jungfräulichkeit, die auf den sakralen Ursprung dieser Figur zurückgehen: Obwohl – oder gerade weil – die Jungfrau als Objekt mit einem Affektentzug oder einer Apathie assoziiert wird, übernimmt sie eine affektevozierende Funktion. Ihr Anblick oder ihre Berührung steckt die Masse an. Ausgehend von diesen Beobachtungen sollen die Affektdynamiken der Restauration auf der Theaterbühne näher beleuchtet werden.
CV
Maha El Hissy studierte Germanistik, Arabistik und Hispanistik in Kairo, Bayreuth und München, wo sie mit einer Arbeit zum Thema „Getürkte Türken. Karnevaleske Stilmittel im Theater, Kabarett und Film deutsch-türkischer Künstlerinnen und Künstler“ promoviert wurde. El Hissy war wissenschaftliche Mitarbeiterin in der DFG-Forschergruppe Anfänge (in) der Moderne an der LMU in München, wo sie seit Oktober 2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für deutsche Philologie ist. Seit Februar 2017 ist sie als visiting research scholar an der University of California, Berkeley. Zurzeit forscht El Hissy zum Verhältnis theatraler, religiöser und politischer Imagination.
Publikationen (Auswahl)
Getürkte Türken.
Karnevaleske Stilmittel im Theater, Kabarett und Film deutsch-türkischer Künstlerinnen und Künstler,
Bielefeld: transcript 2012;
Die Geburt der Republik aus dem Geiste des Genies. Politische Souveränität und Genieästhetik in Schillers Die Verschwörung des Fiesco zu Genua,
in: Karin Peters / Julia Brühne (Hg.): In (Ge)Schlechter Gesellschaft? Politische Konstruktionen von Männlichkeit in Texten und Filmen der Romania,
Bielefeld: transcript 2016, S. 137-154.
Projekttitel
Politik der Berührung: Taktilität in Literatur und Theoriebildung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts
Projektbeschreibung
Anders als in gattungsästhetischen Debatten des 18. Jahrhunderts zeigt sich der Tastsinn in der politischen Romantik und der Literatur des Vormärz als ästhetischer und zugleich politischer ‚Gemeinsinn‘. Taktile Sinnesorgane und Wahrnehmungen, Formen des Berührens, Berührtwerdens und ihre Vermeidung werden zu zentralen Elementen des sozialen und politisch Imaginären und eröffnen als (formal-)ästhetische Phänomene eine eigensinnig-körperliche Dimension des Erlebens. Im Zentrum des Projekts steht die Poetik und Sozialität des Taktilen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, u. a. bei Heine und Büchner. In satirischen Umschreibungen des Pygmalion-Mythos, einer Ästhetik des Drastischen und Sensuell-Körperlichen, die sich am Motiv der Hand und des (Vers-)Fußes abarbeitet, verdichten sich das Diktum vom Ende der ‚Kunstperiode‘, die Kritik am Idealismus sowie der Zugang zu (sozialer) Wirklichkeit. Das Projekt fragt nach gattungspoetischen Eigenheiten im skizzierten Umgang mit Taktilität und Taktgefühl nach 1800, bezieht unterschiedliche literarische Gattungen und Formen, aber auch theoretische Diskurse, etwa des historischen Materialismus, mit ein. Als ‚sinnliche Praxis‘ verstanden, ist das Taktile hier an die Infragestellung von abstrakten Denk- und Darstellungssystemen gebunden, oszilliert in der Literatur der Zeit aber entgegen einer bloßen Essentialisierung des Physischen zwischen formalästhetischem Phänomen, körperlich-affektiver Erfahrung und (Denk-)Metapher (siehe Strätling 2017). Diese Funktionen kommen dem Taktilen noch in Theorieformen des frühen 20. Jahrhunderts zu, die eine besondere Affinität zur Literatur oder anderen künstlerischen Medien aufweisen (Kracauer, Freud u.a.).
CV
Andrea Erwig ist seit Oktober 2019 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für deutsche Philologie der Universität Greifswald. Von 2017 bis 2019 war sie Mitarbeiterin am Berliner Zentrum für Literatur- und Kulturforschung im Forschungsschwerpunkt Theoriegeschichte, wo sie u. a. zur Literarizität von Theorie im frühen 20. Jahrhundert und der Rolle von Sinnlichkeit in Konstruktionen sozialer Wirklichkeit forsche. Zuvor war sie Doktorandin in der DFG-Forschergruppe "Anfänge (in) der Moderne", Junior Fellow am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaft Wien und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Deutsche Philologie der LMU München. 2015 wurde sie mit einer Arbeit zu Poetiken des Wartens an der LMU München promoviert.
Publikationen (Auswahl)
Waiting Plots. Zur Poetik des Wartens um 1900. Paderborn: Fink 2018.
„wie Menschen, die uns ergreifen und uns entgleiten". Berührungszonen von Theorie und Literatur in frühen Texten Robert Musils.
Vsl. in: Lesen denken. Zwischen Metasprache und Artefakt. Sprachkunst-Sonderheft (im Erscheinen).
"Fernnähe". Rilkes Poetik und Sozialität des Taktilen - mit Exkursen zu Simmel und Plessner. In: Tangieren. Szenen des Berührens. Hrsg. von Sandra Fluhrer und Alexander Waszynski, Freiburg: Rombach (im Druck).
"Das Lied hat (...) Hand und Fuß". Heines taktile Poetik und Politik. In: Arcadia, Special Issue: Literatur und Politik der Berührung (in Vorbereitung).
Projekttitel
Theatrale Ästhetik und Politik des Berührens
Projektbeschreibung
Das Projekt untersucht dramatische und theatrale Aspekte von Taktilität und Affizierung insbesondere bei William Shakespeare und Heiner Müller und ihren Inter- und Kontexten in Literatur, Theater und Theorie (u.a. Ovid, Seneca, Goethe, Kleist, Nietzsche, Artaud, Brecht). Auf dem Theater als Ort der ‚Kollision von Körpern und Ideen‘ (Müller) erweisen sich Momente des Berührens auf mehreren Ebenen (Versform, Rhythmus, Gestik, Figurenhandlung und -konstellation, körperliche Ko-Präsenz von Schauspielern und Zuschauern) als ausschlaggebend für Fragen des Politischen. Sie werden in dem Projekt aus produktions- und wirkungsästhetischer Perspektive untersucht, z.B. mit Blick auf organologische Metaphern des Politischen, die auf der Bühne an ihren körperlichen Ursprung rückgebunden werden und dabei affektive Anschlussstellen öffnen.
CV
Sandra Fluhrer ist seit 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Komparatistik der FAU Erlangen-Nürnberg. Sie hat an der LMU München mit der Arbeit Konstellationen des Komischen: Beobachtungen des Menschen bei Franz Kafka, Karl Valentin und Samuel Beckett (Wilhelm Fink, 2016) promoviert und verfolgt ein Habilitationsprojekt zur Poetik und Politik literarischer Verwandlungen von der Antike bis ins späte 20. Jahrhundert. Im WS 2019/20 und SS 2020 ist Sandra Fluhrer wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für deutsche und niederländische Philologie der FU Berlin.
Publikationen (Auswahl)
Konstellationen des Komischen. Beobachtungen des Menschen bei Franz Kafka, Karl Valentin und Samuel Beckett,
Paderborn: Wilhelm Fink 2016 (Periplous – Münchener Studien zur Literaturwissenschaft);
„Wer raucht, sieht kaltblütig aus.“ Pathos und Lakonie in den Gesprächen zwischen Alexander Kluge und Heiner Müller,
in: Literaturen des Pathos. Ästhetik des Affekts von Aristoteles bis Schlingensief, hrsg. v. Björn Hayer und Walter Kühn, Darmstadt: Büchner-Verlag 2018, S. 147-168.
Fuß der Leidenschaft. Vier Abschnitte zur Bodenhaftung des politischen Theaters
in: Berühren. Relationen des Taktilen in Literatur, Philosophie und Theater, Themenheft Komparatistik-online (2019), S. 96-123.
‚Lust und Schrecken der Verwandlung‘: Pathos und Theatralität in Carl Schmitts politischer Anthropologie,
in: Internationales Jahrbuch für Philosophische Anthropologie 9 (2019), Die Ästhetiken der Philosophischen Anthropologie, hg. v. Thomas Ebke und Tatjana Sheplyakova, S. 143–157.
Glitschiges Terrain. Carl Schmitt, das Theater und das Meer,
in: Tangieren. Szenen des Berührens, hg. v. S.F. und Alexander Waszynski, Baden-Baden: Rombach Wissenschaft 2020 [im Druck].
Projekttitel
Metrische Berührungen
Projektbeschreibung
Im Rahmen seiner Dissertation zu Goethes Römischen Elegien untersucht Jakob Gehlen die Operationen der dichtenden Hand. Diese stellt ein zentrales Moment des gesamten Zyklus dar und fragt nach haptischen Aneignungs- und Übertragungsprozessen, die dem dichterischen Programm zugrunde liegen: In welchem Verhältnis steht das gewaltsame Ergreifen der Geliebten mit dem liebevollen Klopfen des Versmaßes auf ihrem Rücken? Stellt eines der Gründungsphantasmen Roms – Mars vergewaltigt die Vestalin Rhea Silvia, um Romulus und Remus zu zeugen – auch das Fundament für die Gedichtproduktion der lyrischen Gegenwart dar?
Besonderes Augenmerk wird bei der Untersuchung auf das elegische Distichon als taktgebendes Moment gelegt. Dabei wird den Fragen nachgegangen, ob in formalen Dispositionen wie etwa dem Wechsel aus Hexameter und Pentameter oder der Zäsur Inhaltliches wie Berührung, Zugriff und Entzug angelegt ist und wie sich theoretische Überlegungen zur Elegie im Allgemeinen an diese Frage rückbinden lassen. Neben Goethe sind sowohl die Lyriker der augusteischen Zeit (Ovid, Properz, Horaz), als auch die Arbeit an der deutschsprachigen Elegie im 17. und 18. Jh. (Opitz, Klopstock, Schiller) für das Projekt von Bedeutung.
CV
Nach seinem Studium des Gymnasiallehramts in den Fächern Deutsch und Latein an der LMU München schloss sich Jakob Gehlen der Graduate School „Language & Literature Munich“ an. An der LMU München arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Klassischen Philologie, der Deutschdidaktik und der Neueren Deutschen Literaturwissenschaft. Im Herbst 2016 war Gehlen Visiting Scholar an der New York University und verfolgt sein Dissertationsprojekt seit Januar 2017 am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin. Seine Forschung konzentriert sich derzeit auf das Nachleben der augusteischen Literatur um 1800 und auf Theorien des Lyrischen (insbesondere auf die Elegie).
Projekttitel
Politischer Tastsinn: Takt und Taktilität nach dem Ende der Monarchie
Projektbeschreibung
Das Projekt fragt nach dem Nachleben politischer Praktiken, Verhaltensregeln und Vorstellungen im Übergang von monarchischen zu demokratischen Herrschaftsformen:
Inwiefern adressieren postmonarchische politische Formen den Tastsinn und das Taktgefühl? Welche Rolle spielt der Tastsinn für moderne Vorstellungen von politischer Teilhabe, Versammlung, Zugehörigkeit oder Ausgrenzung? Was geschieht etwa mit der Vorstellung von den ‚wundertätigen Königen‘ (Marc Bloch) in demokratischen Gesellschaften? Welche modernen ästhetischen und politischen Formen appellieren noch an den Tastsinn? Ausgehend von dem ästhetischen ‚Taktwechsel‘ im Zeichen der biopolitischen Neutaktung des Menschen, wendet sich das Projekt den formalästhetischen Konsequenzen politischer Verschiebungen zu, um zu untersuchen, wie sich diese fassbar machen lassen, etwa im Fall der Assemblage, der politischen Anekdote, der Darstellung politischer Souveränität in historischen und literarischen Erzählungen oder in der Lyrik.
CV
Sebastian Haselbeck studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften, Anglistik, Gräzistik und Theater-, Film- und Medienwissenschaften an der Universität Wien und am Trinity College Dublin. Er war Junior Fellow am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) in Wien. 2017 promovierte er mit einer Arbeit zu gespenstischen Figuren der Souveränität in Literatur und Film zwischen 1910 und 1919 am German Department der University of California, Berkeley. Zurzeit ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Deutsche Philologie der Ruhr-Universität Bochum.
Publikationen (Auswahl)
„Gespenstische Souveränität in Kafkas China“,
in: Kristina Jobst, Harald Neumeyer (Hg.), Kafkas China. Forschungen der Deutschen Kafka-Gesellschaft. Bd. 5,
Würzburg: Königshausen & Neumann 2017;
„‚[W]ie durch ein umgekehrtes Opernglas‘. Charisma als nahe Ferne: Rudolf Borchardt besucht Benito Mussolini“,
in: Michael Gamper, Ingrid Kleeberg (Hg.), Größe. Zur Medien- und Konzeptgeschichte personaler Macht im langen 19. Jahrhundert,
Zürich: Chronos 2015, S. 261-280.
Projekttitel
Pflücken, Reißen, Brechen. Florale Figuren der Berührung
Projektbeschreibung
Blumen tauchen häufig in literarischen Texten auf, bleiben in ihrer Konkretheit aber oft unbestimmt. Sind sie Objekte oder Metaphern, poetologische Figuren oder bloßes Ornament? Wie ernst kann die Blume überhaupt genommen werden? Eine Stoßrichtung des Projektes ist es, die scheinbare Harmlosigkeit der Blumenmotivik über die in ihr eingeschriebene Gewalttätigkeit aufzubrechen. Blumen sind nicht nur Objekte, die beschrieben und betrachtet werden, oder Figuren der Poetizität, die auf das Uneigentliche der literarischen Sprache – das wortwörtlich ‚Blumige‘ – reflektieren. Sie werden insbesondere auch ausgerissen, entblättert, abgeschnitten, geköpft. So findet über die Blumenmetaphorik eine Reflexion über Körpergrenzen statt: Ob es der mariologische hortus conclusus ist, über den Jungfräulichkeit codiert wird, oder die mythologische Ursprungsgeschichte der Rose, die aus der aufgekratzten Haut der Venus stammen soll – die Austarierung und Transgression von körperlichen Grenzen bzw. Kippfiguren der (Un)Berührtheit von insbesondere weiblichen Körpern stehen im Zentrum des Blumenthemas.
CV
Vera Kaulbarsch studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und Anglistik in München und Seoul. Sie promovierte 2016 mit einer Arbeit zum Verhältnis der Avantgarden der Zwischenkriegszeit zum Ersten Weltkrieg. Seit 2016 ist sie Mitarbeiterin am Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der LMU München.
Publikationen (Auswahl)
Untotenstädte. Figuren der Entgrenzung in Literatur und Kultur der Zwischenkriegszeit,
München [in Vorbereitung];
Wuchernde Worte. Blumen, Pflanzen, Zeichen in Hamlet und King Lear,
in: Sarina Tschachtli u. Martina Feichtenschlager (Hg.): Fruchtbarkeit und Poiesis im 16. und 17. Jahrhundert, Würzburg [in Vorbereitung];
‚I saw a ghost at Béthune.‘ Wiedergänger im Ersten Weltkrieg,
in: Lorenz Aggermann, Ralph Fischer, Eva Holling et al. (Hg.): „Lernen, mit den Gespenstern zu leben“. Das Gespenstische als Figur, Metapher und Wahrnehmungsdispositiv in Theorie und Ästhetik, Berlin 2015, S. 109-120.
Projekttitel
Wie nicht berühren?! Gemeisterte Metonymien bei Nikolaus von Kues und Emmanuel Levinas
Projektbeschreibung
Anhand von Texten Emmanuel Levinas’ und Nikolaus von Kues’ soll eine Denkfigur von Berührung ausgearbeitet werden, die weder dem Pathos der Affektion und der Ergriffenheit noch dem Versuch eines ordnenden Begreifens nachgibt. Diese Denkfigur der Berührung widersteht der Versuchung (die temptatio ist etymologisch auch auf eine Berührung zurückführbar) sowohl des zupackenden Begriffs als auch der packenden Ergriffenheit. Berührung verstehe ich damit weder als eine aktive selbstbewusste Handlung, die ein sich selbst genügendes Subjekt voraussetzt, noch als ein passives Erleiden, das in ein kompensatorisches Bewusstsein von Auszeichnung übergeht. Anschauungsform und Gestaltungsprinzip dieser Denkfigur ist die Metonymie. Als Tropus beruht sie auf Alterität, hinsichtlich ihrer techné auf Kontakt – meistert also sowohl Kontakt als auch Differenz. Sie verbindet den etymologischen Sinn von kon-tingent als konkretem Berühren mit dem Kontingent eines schicksalhaften Zuteilwerdens und erlaubt es Gemeinschaft jenseits von genealogischer oder charismatischer Zugehörigkeit zu denken.
CV
Nach dem Studium der Germanistik und Romanistik in Tübingen und Lyon war Daniel Kazmaier von 2011 bis 2014 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Graduiertenkolleg „Religiöses Wissen im vormodernen Europa (800-1800)“ an der Universität Tübingen. Dort wurde er mit einer Arbeit zur „Poetik des Abbruchs. Literarische Figurationen von Negativität im 17. und 18. Jahrhundert (Pascal – Greiffenberg – Pyra)“ promoviert. Seit Juni 2014 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Frankophone Germanistik der Universität des Saarlandes.
Publikationen (Auswahl)
Poetik des Abbruchs. Literarische Figurationen von Negativität im 17. und 18. Jahrhundert
(Pascal - Greiffenberg - Pyra).
Würzburg: Königshausen & Neumann 2016;
zusammen mit Julia Kerscher und Xenia Wotschal (Hrsg.):
Warten als Kulturmuster.
Würzburg: Königshausen & Neumann 2016;
Handhabung Gottes. Catharina Regina von Greiffenbergs poetische Praxis der Unbegreiflichkeit und Hans Blumenbergs Theorie der Unbegrifflichkeit.
In: Florian Bock, Steffen Patzold (Hrsg.): Gott handhaben - religiöses Wissen im Konflikt um Mythisierung und Rationalisierung.
Berlin / New York: de Gruyter 2016, S. 93–112;
(How) leisure works. Writing as an ethical practice in Pascal.
In: MLN 130-4 (2015), S. 791–806.
Projekttitel
Aristoteles’ De Anima und die Schreibung der Berührung
Projektbeschreibung
In den letzten beiden Jahrzehnten hat die philosophische Auseinandersetzung mit der Berührung zu einer Neuformulierung der „Geschichte der Sinne“ sowie zu einer „Dekonstruktion der Sinneshierarchie“ geführt. In beiden Fällen stößt die Fragestellung auf den Begriff des „Gemeinsinns“, in dem sich die Allgemeinheit der sinnlichen Eindrücke und damit die Einheit des Körpers versichert. Seinen Ursprung hat der Begriff in der Erfindung der koine aisthesis, die Aristoteles in De anima in eher vagen Anspielungen immer wieder mit der Berührung in Verbindung bringt. Die philosophische Unbestimmtheit dieser Anspielung hat sich in den letzten 2000 Jahren als eine Geschichte der Sinne geschrieben, in der stets je ein Sinn eine Privilegierung erfahren hat. Aber wie kommt es überhaupt, dass sich eine Affizierung stets in der spezifischen Lokalität eines Sinnesorgans bestimmt? In der Metaphorik von De anima zeichnet sich auf diese Frage eine verblüffende Antwort ab: Es ist im Zuge eines Akts des Schreibens und Lesens, in dem sinnliche Affektionen ihre körperliche Lokalisierung erfahren. Schreiben wäre demnach auch immer die Neuschreibung der je singulären Geschichte eines Körpers.
CV
Johannes Kleinbeck studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft sowie Philosophie und Kunstgeschichte in München. Von 2013 bis 2016 war er mit Mitglied der DVG Forschergruppe Philologie und Psychoanalyse: An den Rändern der Sprache. Seit 2017 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft in München. Er schreibt derzeit eine Promotion zum Verhältnis zwischen dem Zärtlichkeits-Diskurs des 18. Jahrhunderts und der Freud’schen Psychoanalyse. Seit 2013 ist er Mitherausgeber der Buchreihe Neue Subjektile im Verlag Turia+Kant.
Publikationen (Auswahl)
Johannes Kleinbeck u. Claire Nioche, „Der Körper, der in der Sprache wohnt“. Anmerkungen zum Affekt zwischen Psychoanalyse und Phänomenologie“, in: Riss. Zeitschrift für Psychoanalyse. Freud-Lacan, Baden 2015, S. 76–83.
Projekttitel
‚Zum Anfassen‘. Museumsobjekte und Buchkunst nach der digitalen Revolution
Projektbeschreibung
Das Angebot einer „Geschichte zum Anfassen“, mit dem ein privat betriebenes DDR-Museum in Berlin wirbt, reagiert offensichtlich auf neue Bedürfnisse bildgesättigter Betrachterinnen und Betrachter, denen mittels der Berührung ‚historischer‘ Objekte ein unmittelbarer Zugriff auf vergangene Erfahrungen versprochen wird. In ähnlicher Weise bieten neuerdings Bücher auch für Erwachsene eine Fülle von Beigaben, die das Lesen mit den Augen um eine im Text angeleitete Handhabung von Papierobjekten erweitern. Dazu gehören etwa täuschend echt nachgebildete Landkarten, Postkarten oder Briefe, die den Raum der Fiktion in die Körperwelt der Leserinnen und Leser ausdehnen. Diese Rückkehr zu den vermeintlich unvermittelt greifbaren Dingen ist im Zeitalter omnipräsenter digitaler Medien jedoch gleichermaßen deren Produkt und Effekt, wie das Projekt in exemplarischen Fallstudien zur Literatur und Kultur der Gegenwart zeigen soll.
CV
Cornelia Ortlieb ist seit 2019 Professorin für Neuere deutsche Literatur mit einem Schwerpunkt in der Literatur der Klassischen Moderne an der FU Berlin. Von 2014 bis 2019 war sie Inhaberin des Lehrstuhls für Komparatistik der FAU Erlangen-Nürnberg. Sie wurde an der TU Berlin mit der Arbeit Poetische Prosa. Beiträge zur modernen Poetik von Charles Baudelaire bis Georg Trakl promoviert (Stuttgart: Metzler 2001) und mit der Arbeit Friedrich Heinrich Jacobi und die Philosophie als Schreibart habilitiert (München: Wilhelm Fink 2010).
Publikationen (Auswahl)
Schreibekunst und Buchmacherei. Zur Materialität des Schreibens und Publizierens um 1800,
hrsg. zus. m. Tobias Fuchs,
Hannover: Wehrhahn 2017;
Materialität und Paratext. Goethes „Backwerk aus Kasan“ und seine Rahmungen,
in: ZfdPh, Beiheft 2016, S. 37-56;
Miniaturen und Monogramme. Stéphane Mallarmés Papier-Bilder,
in: Sprechen über Bilder – Sprechen in Bildern. Studien zum Wechselverhältnis von Bild und Sprache, hg. v. Lena Bader, Georges Didi-Hubermann, Johannes Grave,
Berlin: Deutscher Kunstverlag 2015, S. 113-128;
Text und Stoff. Zur Materialität der west-östlichen Übertragung bei Johann Wolfgang von Goethe und Marianne von Willemer,
in: Macht des Materials – Politik der Materialität, hrsg. v. Kerstin Stakemeier, Susanne Witzgall,
Berlin, Zürich: Diaphanes 2014, S. 52-64.
Projekttitel
Schreiben mit göttlicher Hand – Zur figura der (Selbst-) Berührung in Pascals Pensées
Projektbeschreibung
Für Pascals Pensées wurde wiederholt und fast beiläufig ihre Absicht nach einer Berührung hervorgehoben: Es geht um eine Berührung des Herzens, durch die das Gegenüber in eine spezifische Disposition gebracht werden soll, die es für die göttliche Berührung empfänglich mache. Das Projekt will nun diesen bislang für Pascal nicht genauer untersuchten Begriff der Berührung als figura seines Schreibens ernst nehmen und seinen Implikationen nachgehen. Denn wenn die Berührung das Paradigma bildet, unter der hier sowohl die göttliche Annäherung wie diejenige des eigenen Schreibens gedacht wird, so gilt es, die der Berührung traditionell eingeschriebene Ambivalenz zu berücksichtigen, die sie als klassische figura ausweist. Die zentrale Chiffre bildet hierfür die main toute puissante, unter deren Einwirkung Pascal sein Schreiben zu stellen sucht: Als Erfahrung einer stets unsicheren Berührung durch fremde Hand. Die schreibende Hand wird zum órganon einer Berührung, die zugleich als Selbstberührung zu lesen wäre. Mit dieser Frage nach einer Verknüpfung von Schreiben und (Selbst-)Berührung bei Pascal suche ich einem spezifischen Zug seines Schreibens nachzugehen, der in die Moderne weist.
CV
Hanna Sohns studierte Romanische Philologie sowie Lateinische Philologie und Neuere deutsche Literatur an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Für ihre Promotion wechselte sie 2013 an die Universität Erfurt und schrieb dort als Promotionsstipendiatin die Arbeit „Pathopoeia. Fernando Pessoa und die französische Literatur“. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Romanische Philologie der LMU München bei Prof. Dr. Barbara Vinken.
Publikationen (Auswahl)
„dans les fissures de la pensée“: Denken und Affektivität in Valérys Cahiers.
Erscheint in: Gesine Hindemith / Dagmar Stöferle: Der Affekt der Ökonomie – Bruchstellen im ästhetischen Regime der Moderne.
Berlin: De Gruyter 2017 (Reihe „Mimesis – Romanische Literaturen in der Welt“);
Mora (Ovid).
In: Judith Kasper, Cornelia Wild (Hrsg.): Rom: rückwärts. Europäische Übertragungsschicksale von Lucan bis Lacan.
München: Fink 2015, 199-205.
.
Projekttitel
Berühren in die Ferne – Zur Medialität physikalischer Kausalitätskonzepte
Projektbeschreibung
Wenn die neuzeitliche Physik mit Wirkungen in die Ferne beschäftigt ist, mit Gravitation, Elektrizität oder Magnetismus, so geht es um Phänomene, bei denen zwischen Ursache und Wirkung eine räumliche Distanz liegt, sie aber doch ohne Aufschub aufeinander bezogen werden. Sie sind getrennt, stehen jedoch in Kontakt. Entsprechend sind diese Phänomene immer wieder – etwa bei Descartes, Newton oder Leibniz – mit Analogien der Berührung beschrieben worden, denn sie stellen die Frage, ob die Trennung zwischen den beiden Körpern bestehen bleibt oder aufgehoben wird. Das Projekt untersucht anhand von philosophischphysikalischen Quellentexten, welche Rolle solche Analogien der Berührung für die Konstitution physikalischen Wissens und seiner Phantasmen der Unmittelbarkeit spielen.
CV
Seit Wintersemester 2015 ist Florian Sprenger Juniorprofessor für Medienkulturwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt. Er wurde 2012 an der Ruhr-Universität Bochum mit der Dissertation ‚Medien des Immediaten - Elektrizität, Telegraphie, McLuhan‘ promoviert. Zuvor war er Junior Fellow am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaft in Wien sowie Kollegiat am Initiativkolleg Sinne - Technik - Inszenierung der Universität Wien. Im Anschluss war er PostDoc am Digital Cultures Research Lab der Leuphana Universität Lüneburg sowie Visiting Scholar an der Stanford University. Zu seinen Arbeitsfeldern zählen die technologischen Bedingungen digitaler Kulturen vom Internet der Dinge bis zu den Snowden-Enthüllungen, die Geschichte künstlicher Environments und ihre Epistemologien des Umgebens, die Faszinationsgeschichte der Elektrizität sowie die Geschichte der Zukunft.
Publikationen (Auswahl)
Medien des Immediaten. Elektrizität, Telegraphie, McLuhan.
Berlin: Kadmos 2012;
The Metaphysics of Media. Descartes’ Sticks, Naked Communication and Immediacy.
In: Cultural Studies, 30/4 (2016), S. 630-649 (http://dx.doi.org/10.1080/09502386.2016.1180757);
Lob des Berührens. Zur phantasmatischen Dimension der Elektrizität und ihrer Medientheorie.
In: Wieser, Veronika/Zolles, Christian/Zolles, Martin/Feik, Catherine/Schlöndorff, Leopold (Hrsg.): Abendländische Apokalyptik. Kompendium zur Genealogie der Endzeit. Berlin: Akademie 2013, S. 177-196.
Projekttitel
Poetik des movere zwischen Rührung und Berührung
Projektbeschreibung
Das Projekt widmet sich poetischen Aneignungen der Rhetorik des movere im Spannungsfeld von ‚innerer‘, emotiver Rührung und ‚äußerer‘, sensueller Berührung. Im Zentrum steht die Frage, wie Affekt und Zeichen so zueinander in Beziehung gesetzt werden können, dass das Wort als Stimulus in den unmittelbaren sinnlichen Erfahrungshorizont einrückt. Evident wird dieses Wechselverhältnis insbesondere an Versprachlichungen von Tastereignissen. Hier zeigt sich, wie die Rhetorik des movere an eine Darstellungsaporie der Poetik rührt, indem sie verbale Strukturen als taktile gestaltet. Drei Ausprägungen dieser Problematik geht das Projekt nach: 1. Vasilisk Gnedovs haptopoetischer Analyse von Metrik und Phonetik „taktil spürbarer Reime“ (osjazatel’nye rifmy) 2. Iakov Druskins theologisch grundierte Überlegungen zu einem „Thomaszeichen“ (znak Formy) als symbolischer Form der taktilen Vergewisserung; 3. Ksenija Vyseslavcevas Deklamationstheorie des „lebendigen Wortes“ (zivoe slovo) als gestische Wortplastik. Im Spektrum dieser drei Ansätze lässt sich eine Poetik des plastischen Wortes rekonstruieren, welche im Versuch, aus dem Register der Rührung in das der Berührung zu ‚springen‘, stets an den Grenzen sprachlicher Evokationsmacht operiert.
CV
Nach einem Studium der Slavistik, Germanistik und Pädagogik in Münster, Volgograd, Prag und Berlin promovierte Susanne Strätling 2003 an der Humboldt-Universität zu Berlin über die Medienrhetorik des Barock (Allegorien der Imagination. Lesbarkeit und Sichtbarkeit im russischen Barock, Fink 2005). Wenig später wechselte sie an die Freie Universität Berlin, wo sie 2014 mit der Studie Die Hand am Werk. Poetik der Poiesis in der russischen Avantgarde habilitierte. Von 2016-2018 war Susanne Strätling Professorin am Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der LMU München. Ab dem Sommersemester 2018 lehrt und forscht sie am Institut für Slavistik der Universität Potsdam.
Publikationen (Auswahl)
Die Hand am Werk. Poetik der Poiesis in der russischen Avantgarde.
Wilhelm Fink Verlag. München 2017, 531 S.; print und e-book;
Energie – ein Begriff der Poetik?
In: Kraft, Intensität, Energie. Zur Dynamik der Künste zwischen Renaissance und Gegenwart. Hg. v. Frank Fehrenbach, Robert Felfe und Karin Leonhard. Berlin 2017, S. 371-391;
Aesthetics of the Tool. Special Issue of Configurations.
A Journal of Literature, Science, and Technology. Ed. by Jocelyn Holland and Susanne Strätling. Vol. 18, Number 3, Fall 2010, 284 S.;
Hirnschrift und Handschrift. Die spiritistische Sematologie des Schreibens:
In: Laien – Lektüren – Laboratorien. Künste und Wissenschaften in Russland 1850-1950. Hg. v. Torben Philipp, Matthias Schwartz und Wladimir Velminski. Frankfurt/M. u.a. 2008, S. 181-200.
Projekttitel
Shakespeare’s Touch
Philo-Logie der Berührung
Projektbeschreibung
Shakespeare's Touch
Das Projekt untersucht die Bedeutung des Konzepts ‚touch‘ für das frühneuzeitliche Theater William Shakespeares. Dieses Konzept scheint für die als Massenmedium neu aufkommende Kulturpraxis public theatre von entscheidender Bedeutung zu sein: die Leitfrage ‚How to be truly touched‘ verhandelt das Verhältnis von Wort und Welt auf eine Weise, die den epochalen Umbruch vom mittelalterlichen zu einem modernen Weltbild nachzeichnen lässt und die Rolle und Wirkmacht des theatralen Sprechens für diesen Umbruch in den Blick hebt.
Philo-Logie der Berührung
Das Projekt unternimmt den Versuch, die theoretisch schon nuanciert entwickelte Figur der Berührung (Derrida, Nancy u. a.) für eine Reflexion auf Philologie, auf den lesenden Umgang mit Texten, fruchtbar zu machen. Interessant hierfür sind etwa die Suspendierung des Subjekt/Objekt-Verhältnisses sowie der Relation von aktivem Leser und passivem, festgestellten Text. Dies fordert heraus, die Begegnung von Text und LeserIn jenseits eines beherrschenden und immer auch problematisch gegenderten Lese-Standpunkts neu zu denken. In einer solchen Konstellation verschiebt sich das Interesse an der repräsentierenden Rekonstruktion von Sinn und Bedeutung (einem alten hermeneutischen Paradigma) hin zur Akzentuierung von gegenseitiger Affizierung, von wirkenden Tätigkeiten, Kraftaustausch, der Freisetzung von Text-Wirkung durch Generierung von Text-Ereignissen.
CV
Johannes Ungelenk ist seit April 2018 Juniorprofessor für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Potsdam. Er hat in München und Oxford AVL, Englische Literaturwissenschaft, Philosophie und Women’s Studies studiert und wurde an der LMU München mit einer Arbeit zu Literatur und Wetter promoviert. Aktuell beschäftigt er sich mit Shakespeare, Berühren und Theorie.
Publikationen (Auswahl)
Literature and Weather. Shakespeare – Goethe – Zola,
Berlin: De Gruyter 2018 [= spectrum Literaturwissenschaft 61];
„Werthers verbriefte Liebe“
in: Arcadia 52/1 (2017), 116–140.
Projekttitel
Betreffbarkeit – Berührungspunkte zwischen Nancy und Blumenberg
Projektbeschreibung
Was heißt es, wenn nach dem Berühren gefragt ist, „viel Rücken“ zu haben? Inwiefern ist „Betreffbarkeit“, mit und nach Hans Blumenberg, zunächst ein methodologisches Problem? Wie viel Intimität hinterlässt die Krise der Distanznahme? Wie wird berührt, bevor es ‚etwas‘ gibt, das berührt oder berührt wird? Wenn das Hervortreten einen Eigenwert gegenüber dem, was hervortritt, beanspruchen kann: inwieweit ist es seinerseits exponiert? Was heißt das für eine Metaphorologie? Wie muss, nach Jean-Luc Nancys Überlegungen zur Exposition/Expeausition, ‚Textualität‘ neu ausgehandelt werden?
CV
Alexander Waszynski studierte Altorientalistik, Geschichte, Film- und Medienwissenschaft sowie zeitweise Philosophie und Neuere Deutsche Literatur in Berlin, Basel und Freiburg/Breisgau. Seit 2014 ist er Doktorand im Forschungszusammenhang „Texte.Zeichen.Medien“ der Universität Erfurt (AVL). Im Rahmen seines Promotionsprojektes zu Hans Blumenberg war er Stipendiat am Deutschen Literaturarchiv Marbach.